Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2002/14: Obergericht
Die Revision von Rekursentscheiden der Verwaltungsbehörden ist im Verwaltungsrechtspflegegesetz nicht ausdrücklich geregelt, daher gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss. Eine Revision solcher Entscheide ist nur bei neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismitteln möglich. Die Revision von Verwaltungsakten und Verwaltungsrekursentscheiden ist grundsätzlich nur möglich, wenn neue erhebliche Tatsachen und Beweise vorgelegt werden, die zuvor nicht bekannt waren. Es gibt spezifische Revisionsgründe, die im Rahmen des Verwaltungsverfahrensrechts des Bundes gelten. Im vorliegenden Fall berufen sich die Beschwerdeführer auf verschiedene Revisionsgründe, darunter die Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze und die Nichtberücksichtigung von aktenkundigen Tatsachen. Einige dieser Gründe sind jedoch keine klassischen Revisionsgründe und können daher nicht zur Revision führen.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2002/14 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 24.05.2002 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 49 VRG; Art. 372 ZPO. Revision von Rekursentscheiden der Verwaltungsbehörden |
Schlagwörter : | Revision; Bundes; Recht; Revisionsgr; Revisionsgründe; Bundesrecht; Wiedererwägung; Kanton; Entscheid; Schaffhausen; Verwaltungsrechts; Tatsachen; Kantons; Verfahren; Verwaltungsbehörde; Rekursentscheid; Verwaltungsakt; Verwaltungsrechtspflege; Verwaltungsverfahren; Verwaltungsbehörden; Beweismittel; Revisionsmöglichkeiten; Rechtsmittelentscheid; Schaffhauser; Vorbemerkungen; Regelung; Bundesrechts |
Rechtsnorm: | Art. 29 BV ;Art. 372 ZPO ;Art. 373 ZPO ;Art. 66 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Adrian von Kaenel, Ullin Streiff, Roger Rudolph, Praxis Art. 319-362 OR, Art. 319; Art. 336 OR, 2012 |
Die Revision von Rekursentscheiden der Verwaltungsbehörden ist im Verwaltungsrechtspflegegesetz nicht ausdrücklich geregelt; es sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anzuwenden. Eine Revision solcher Entscheide ist daher grundsätzlich nur wegen neuer erheblicher Tatsachen Beweismittel möglich.
Der Vorbehalt der Wiederherstellung nach Bundesrecht betrifft nur Revisionsmöglichkeiten, die aufgrund von Bundesrecht ohnehin bestehen, bezweckt aber nicht, die Revisionsmöglichkeiten des Verwaltungsverfahrensrechts des Bundes auch auf das kantonale Recht auszudehnen.
Aus den Erwägungen:
2.a) Die Beschwerdeführer haben ... beim Erziehungsrat des Kantons Schaffhausen eine Wiedererwägung des Rekursentscheids dieser Behörde ... beantragt. Als Rechtsmittelentscheid, welcher in einem justizförmigen Verfahren von einer oberen Verwaltungsbehörde ausgegangen ist, kann ein Rekursentscheid grundsätzlich nicht in Wiedererwägung gezogen werden. Nur die erstinstanzliche (verfügende) Behörde kann allenfalls auf Antrag der Betroffenen (aufgrund eines Wiedererwägungsgesuches als blossem Rechtsbehelf) von Amtes wegen einen Verwaltungsakt in Wiedererwägung ziehen, worauf jedoch grundsätzlich kein Anspruch besteht (vgl. zu dem auch im Schaffhauser Recht nicht ausdrücklich geregelten Institut der Wiedererwägung bzw. des Wiedererwägungsgesuchs Arnold Marti, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Schaffhausen, Diss. Zürich 1986, S. 129, sowie Kölz/Bosshardt/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. A., Zürich 1999, Vorbemerkungen zu §§ 19-28 N. 23 ff.,
S. 302, und Vorbemerkungen zu §§ 86a-86d N. 8, S. 832). Sofern eigentliche Revisionsgründe vorliegen, besteht jedoch auch ohne ausdrückliche Regelung schon aufgrund des Bundesrechts (Art. 29 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]) ein Anspruch auf Neubeurteilung eines Verwaltungsaktes eines Rechtsmittelentscheides. Für verwaltungsgerichtliche Entscheide ergibt sich die
Möglichkeit der Revision aus Art. 49 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 (VRG, SHR 172.200), wobei für Voraussetzungen und Verfahren der Revision aufgrund der Verweisung in Art. 50 VRG die Art. 372 ff. der Zivilprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 3. September 1951 (ZPO, SHR 273.100) sinngemäss zur Anwendung gelangen. Für Verwaltungsakte und Rechtsmittelentscheide von Verwaltungsbehörden ist die Revision dagegen im Unterschied zur heutigen Regelung des Kantons Zürich nicht ausdrücklich geregelt, doch ist nach der Praxis des Obergerichts diese Lücke ebenfalls durch eine sinngemässe Anwendung der Art. 372 ff. ZPO zu schliessen, wovon auch der Erziehungsrat im angefochtenen Entscheid zu Recht ausgegangen ist (vgl. dazu auch die Hinweise bei Marti, S. 129 bei Fn. 147, sowie derselbe, Die Schaffhauser Verwaltungsrechtspflege, in: Schaffhauser Recht und Rechtsleben, Festschrift zum Jubiläum 500 Jahre Schaffhausen im Bund, Schaffhausen 2001, S. 359 ff., S. 373 bei Fn 89; zur heutigen ausdrücklichen Regelung des Kantons Zürich Kölz/Bosshardt/Röhl, Vorbemerkungen zu §§ 86a-86d N. 1 ff., S. 828).
Aufgrund einer sinngemässen Anwendung der Art. 372 ff. ZPO ist auch eine Revision von Verwaltungsakten und Verwaltungsrekursentscheiden grundsätzlich nur möglich, wenn der Revisionskläger neue erhebliche Tatsachen und Beweise beibringt, die er früher trotz Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht kennen konnte, nachweist, dass die gebrauchten Beweismittel falsch waren (Art. 372 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 ZPO). Das Revisionsgesuch muss sodann innert 30 Tagen seit der Kenntnis des Revisionsgrundes bei der Instanz, welche den Entscheid erlassen hat, eingereicht werden (Art. 373 Abs. 1 ZPO). Gemäss Art. 372 Abs. 2 ZPO bleiben freilich Fälle der Wiederherstellung nach Bundesrecht vorbehalten. Diese Bestimmung wurde erst mit der Einführung des neuen Scheidungsrechts eingefügt (Gesetz vom
20. September 1999; vgl. ABl 1999, S. 1341 ff., 2000, S. 22) und bezweckte lediglich einen Vorbehalt zugunsten des neuen eidgenössischen Revisionsgrundes von revArt. 148 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom
10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210) im Zusammenhang mit der Irrtumsanfechtung von Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen. Im übrigen sollten die Revisionsgründe nach kantonalem Recht unverändert bestehen bleiben (vgl. dazu die Vorlage des Regierungsrates vom 11. Mai 1999 zur entsprechenden Gesetzesänderung [Amtsdruckschrift 99-25], S. 38 f.). Entgegen der von der Vorinstanz geäusserten Auffassung, auf welche sich auch die Beschwerdeführer sinngemäss stützen, kann diese Einfügung daher nicht zur Folge haben, dass selbst in rein kantonalrechtlichen Verwaltungsangelegenheiten die besonderen Revisionsgründe des Verwaltungsverfahrensrechts des Bundes (Art. 66 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom
20. Dezember 1968 [VwVG, SR 172.021], insbesondere Abs. 2 lit. b und c)
zur Anwendung gelangen. Der Sinn dieser Bestimmung besteht vielmehr lediglich darin, aufgrund des Bundesrechts ohnehin geltende Revisionsmöglichkeiten vorzubehalten (vgl. für den Bereich des öffentlichen Rechts namentlich den bundesrechtlichen Revisionsgrund von Art. 139a des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 [OG, SR 173.110] betreffend Wiedergutmachung bei festgestellter Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention).
b) Im vorliegenden Fall berufen sich die Beschwerdeführer neben dem in Art. 372 Abs. 1 ZPO genannten Revisionsgrund neuer Tatsachen und Beweismittel (...) insbesondere auf die Revisionsgründe der Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze (namentlich Verletzung des rechtlichen Gehörs, besonderer Mitspracherechte nach dem kantonalen Schulgesetz sowie der Untersuchungsmaxime und der Begründungspflicht) und der versehentlichen Nichtberücksichtigung erheblicher aktenkundiger Tatsachen (namentlich Nichtberücksichtigung bzw. ungenügende Berücksichtigung des Abklärungsberichts ...). Bei den beiden zuletzt genannten Revisionsgründen handelt es sich jedoch nicht um klassische Revisionsgründe, wie sie in Art. 372 Abs. 1 ZPO umschrieben sind bzw. vom Bundesgericht aus Art. 29 BV abgeleitet werden (vgl. zu den letzteren Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. A., Zürich 1998, Rz. 838 ff., S. 211, mit Hinweisen). Vielmehr handelt es sich um eigentliche Nichtigkeitsgründe, welche insbesondere deswegen eingeführt worden sind, weil Verwaltungsbeschwerdeentscheide der Bundesbehörden zum Teil nicht mehr weitergezogen werden können und daher die Revision anstelle eines ordentlichen Rechtsmittels tritt. Dies geht auch daraus hervor, dass eine Revision ausgeschlossen ist, wenn die entsprechenden Gründe im Rahmen eines vorangehenden Verfahrens eines anschliessenden Rechtsmittelverfahrens geltend gemacht werden können (Art. 66 Abs. 3 VwVG; vgl. dazu auch Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. A., Zürich 1998, Rz. 737 ff., insbesondere Rz. 744, 746, S. 259 ff.). Auf das vorliegende Revisionsgesuch kann daher zum vorneherein nicht eingetreten werden, soweit nicht in Art. 372 Abs. 1 ZPO vorgesehene Revisionsgründe geltend gemacht werden.
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